Empathie lernen – 5 Tipps, nicht nur für Führungskräfte
Empathie ist die Fähigkeit, Brücken zu bauen und sich mit Menschen zu verbinden. Empathie ist die Bereitschaft, sich in andere einzudenken und einzufühlen.
Inhaltsverzeichnis
Einer der häufigsten Kritikpunkte bei 360° Führungskräfte Feedbacks lautet: Empathie ungenügend –Empathie lernen! Ich wage zu behaupten, dass bei allen Arten von Vorgesetzten-Feedbacks mangelnde Empathie zu den meistgenannten Defiziten gehört. Für mich als Coach ist dies ein Dauerbrenner. Ein Dauerbrenner und Lieblingsthema, das ich immer wieder gerne begleite. Dabei ist Empathie lernen eigentlich ziemlich einfach.
Wie kommt es, dass man Führungskräften so häufig Empathielosigkeit vorwirft? Sind sie etwa gefühllos?
Zum Teil mag das zutreffen. Aber nur zu einem geringen Prozentsatz.
Ich glaube vielmehr, dass sich Führungskräfte oft schwertun, ihre Führungsaufgabe mit ihrem Mitgefühl zu vereinbaren. Nicht selten ist dies ein echtes Dilemma – ein trade off zwischen Unternehmenswohl und dem Mitgefühl für einzelne.
Von diesem Dilemma abgesehen, mache ich die Erfahrung, dass viele Führungskräfte – und auch Privatmenschen – tatsächlich besser vorankämen, würden sie Empathie lernen. Sie würden damit das Wohl der Mitarbeitenden, des Unternehmens und aller Mitmenschen befördern. Und sie würden sich selbst damit etwas glücklicher machen.
1. Ergebnisse verbessern – Empathie lernen
Ich formuliere das absichtlich etwas spröde, um das Wort Empathie aus der romantisch-idealistischen Ecke zu holen. Zusätzlich möchte ich ausdrücken, dass es nicht nur empfindsamen Charakteren vorbehalten ist, empathiefähig zu sein.
Empathiefähig sein, kann man lernen. Und das ist sinnvoll.
Empathische Kommunikation macht die Zusammenarbeit und das Zusammenleben leichter.
Empathie zeigen, bringt bessere und schnellere Ergebnisse. Meist.
Kürzlich habe ich hinsichtlich Empathie eine aufschlussreiche Erfahrung gemacht. Diese möchte ich kurz mit Ihnen teilen. Ich erzählte einigen Bekannten, dass ich betrübt sei, weil ich einen Auftrag für ein spannendes Führungskräfte-Coaching nicht bekommen hatte.
Was vermuten Sie, wie man auf mich reagierte?
Die Reaktionen habe ich hier zusammengefasst:
- „Ach, das tut mir ja leid. Ich weiß, wie schlimm es ist, selbständig zu sein. An so was knapse ich auch immer lange rum.“
- „Tja, damit muss man immer rechnen. Gerade, wenn man selbständig ist. In schwierigen Zeiten brauchst du ein dickes Fell.“
- „Wir haben kürzlich sogar einen Großauftrag verloren. Ich versteh gar nicht, dass dir das, so viel ausmacht. Du bist doch ganz gut im Geschäft.“
Wie empfinden Sie diese Reaktionen? Lassen Sie es bitte kurz auf sich wirken.
Ist es nicht beeindruckend, wie schwer es vielen Menschen fällt, auf Gefühle anderer einzugehen? Ich kenne das nicht nur aus eigener Erfahrung. Auch meine Kunden, wie gesagt, schildern mir dies immer wieder. Und zwar aus allen Ebenen des Business.
Ich möchte hier noch mal kurz auf die Wirkung der Reaktionen eingehen, als ich sagte, ich hätte einen Coaching Auftrag nicht bekommen:
- „Ach, das tut mir ja leid. Ich weiß, wie schlimm es ist, selbständig zu sein. Ich knapse auch immer Wochen an Absagen rum…“
Wie geht es Ihnen mit dieser Reaktion? Ich fühlte mich getröstet, aber doch nicht wirklich gemeint. Denn die Person sprach danach vor allem über sich selbst. Auch dieses Zuviel an Mitleid war mir unangenehm. Kennen Sie das auch? Mitgefühl hätte ich gewollt, nicht aber Mitleid.
- „Tja, damit muss man immer rechnen. Gerade, wenn man selbständig ist. In schwierigen Zeiten brauchst du ein dickes Fell.“
Empfinden Sie das auch als unsensibel und unangenehme Belehrung?
- „Wir haben kürzlich sogar einen Großauftrag verloren. Ich versteh gar nicht, dass dir das, so viel ausmacht. Du bist doch ganz gut im Geschäft.“
Diese Reaktion war für mich die krasseste. So viel Unverständnis konnte ich nur schwer nachvollziehen.
2. Eine Hitliste der populärsten Empathie-Killer
Wahrscheinlich habe ich mit diesen Beispielen die häufigsten Empathie-Killer eingefangen. Gerne zähle ich sie hier noch mal auf. Denn wir sind nie davor gefeit, dass sie uns unterlaufen…
- Bemitleiden, statt Mitgefühl zu zeigen.
- Belehren, statt verstehen zu wollen.
- Unverständnis äußern, statt geduldig zuzuhören.
Haben auch Sie gelegentlich den Eindruck, dass Sie bei Herausforderungen geschickter kommunizieren könnten? Mit verbesserter Selbstkenntnis und Selbstführung wird Ihnen dies gelingen.
Lesen Sie hier, was Sie als moderne Führungskraft darüber wissen sollten.
3. Warum Empathie lernen oft schwerfällt
Viele Menschen tun sich mit negativen Gefühlen anderer schwer. Sie tendieren impulsiv zu Fluchtreaktionen, Verdrängung oder hektischer Lösungsfindung. Echte, nachhaltige Lösungen ergeben sich allerdings erst, wenn wir uns auf die Gefühle unseres Gegenübers einlassen. Menschen sind keine Maschinen – sie bleiben in ihren Gefühlslagen stecken. Und zwar ziemlich hartnäckig.
Ein weiterer Grund, warum wir oft wenig empathisch sind. Im Business sind wir mit schnellen Lösungen für Probleme beschäftigt. Analysieren – verstehen – verbessern ist das Motto. Zu 90 % ist das Verstandesleistung. Wenn wir in diesem Modus der analytischen Intelligenz arbeiten, ist es schwer, Gefühle oder gar Mitgefühl zu entwickeln. Aufgrund unserer Hirnfunktionen kann sich Empathie unter diesen Umständen nur schwer einstellen. Es ist quasi eine andere Abteilung im Oberstübchen.
Ist diese wissenschaftliche Erkenntnis auch eine Erleichterung für Sie?
Für mich war dies eine hilfreiche Erkenntnis, die mir erlaubte, Empathie für Empathiearme zu entwickeln.
Wissenschaftlich belegt können wir sagen: Eigentlich sind alle Menschen zu Empathie fähig und diese hat sogar eine evolutionäre Funktion.
Ein Toast auf die Spiegelneuronen und den Survival of the Friendliest.
In der Konsequenz heißt das: wollen Führungskräfte, Freunde oder Eltern empathischer kommunizieren, gilt es, erstmal Gelassenheit zu entwickeln und durchzuatmen. Es geht darum, die eigenen Emotionen in den Griff zu bekommen.
Anschließend können sie die folgenden Empfehlungen anwenden. Dies wird ihnen helfen, ihre emotional-intuitive Intelligenz zu aktivieren und erfolgreicher zu agieren.
4. Empathie lernen – Fünf Tipps
Nehmen wir ein Beispiel für die jetzt folgenden Empfehlungen.
Jemand sagt Ihnen: „ Ich bin entlassen worden.“
4.1. Wir versetzen uns in die Lage unseres Gegenübers
Oft verstehen wir die Gefühlslage anderer nicht so wirklich. Oft ist es schwer, sich in andere hineinzuversetzen. Bevor wir irgendetwas äußern, ist es deshalb sinnvoll, sich selbst zu fragen:
- „Habe ich oder Bekannte von mir schon mal Vergleichbares erlebt?“
- „Wie würde es mir in so einer Lage ergehen? Wie würde ich dann denken? Was würde ich dann empfinden?“
Diese Fragen machen es leichter, sich mit den Emotionen und Perspektiven anderer zu verbinden. Gerade für Feedback Gespräche ist es sinnvoll, sich zuvor zwei Minuten Zeit zu nehmen und die Antwort aufzuschreiben.
4.2. Wir fragen nach und zeigen unser Mitgefühl – ohne mitzuleiden
Wenn uns jemand ein persönliches Problem mitteilt, sucht diese Person wahrscheinlich emotionale Unterstützung. Mit dieser einfachen Fragen können wir Interesse und Anteilnahme zeigen:
„Wie hast du dich gefühlt, als man dir die Kündigung mitteilte?“
Oft reicht die Antwort unseres Gegenübers und wir entwickeln dann ein Mitgefühl. Ganz von selbst.
4.3. Wir respektieren die Gefühle der Person
Eines der häufigsten Probleme in der Kommunikation ist vorschnelles Bewerten von Aussagen anderer. Zum Beispiel:
A sagt: „Ich bin wütend, weil mir gekündigt wurde.“
B antwortet: „Nimm es nicht so persönlich. Lass dich davon nicht frustrieren.“
Bei so einer Reaktion fühlen sich viele Menschen getröstet, aber nicht wirklich ernst genommen.
Hilfreicher wäre es, nicht sofort Lösungen für Probleme vorzuschlagen, sondern erst einmal nur Verständnis zu zeigen:
„Ich kann nachvollziehen, dass dich die Kündigung frustriert. Verständlich, dass du wütend und verletzt bist.“
So eine simple emotionale Paraphrase ist meist sehr wirkungsvoll. Ich staune immer wieder, wie hilfreich es ist, bloß die Gefühle im Gesprächsverlauf zu spiegeln.
4.4. Wir stellen vertiefende Fragen und laufen dem Gespräch nicht voraus
Wenig hilfreich wäre es, wenn wir beispielsweise folgende Aussage machten:
„Ich hoffe, du findest bald einen neuen Job.“ oder „Das Unternehmen war es nicht wert.“
Damit verhindern wir eher, dass sich jemand weiter öffnet. Wirkungsvoller ist es, auf den Jetzt-Zustand einzugehen und zu fragen:
„Wie hat dein Chef denn die Kündigung begründet?“ und „Was ist deine Sicht der Dinge?“
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich auf Fragen zur eigentlichen Lösung bisher nicht eingegangen bin. Also, warum ich nicht gefragt habe:
„Was hast du jetzt vor?“ oder „Welche Art von Job willst du jetzt suchen?
Meine Antwort lautet. Zu Beginn eines Gesprächs suchen Menschen hauptsächlich Anteilnahme und Verständnis. Sie dann bereits nach Lösungen zu befragen oder gar Lösungen vorzuschlagen, wäre kontraproduktiv. Denn bei starken Gefühlen wollen die meisten Menschen erst in ihrem Jetzt-Zustand abgeholt werden. Sie möchten gesehen und verstanden werden.
Erst wenn sie das erlebt haben – und das kann dauern – erst dann können sie anfangen, an Lösungen zu arbeiten.
Fast immer ist es besser, zuerst auf die Gefühlsebene einzugehen und danach erst die Sachebene zu besprechen.
4.5. Wir fragen, welche Unterstützung wir anbieten können
Anstatt eigene Ideen hinsichtlich Hilfsangeboten einzubringen, ist es besser, zu fragen, welche Hilfe das Gegenüber sich wirklich wünscht:
„Was brauchst du gerade? Kann ich irgendwas für dich tun? Oder gibt es sonst jemanden, der dir helfen kann?“
Weniger effektiv wäre beispielsweise dieser Vorschlag: „Lass uns morgen gemeinsam joggen gehen.“
Geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance, eigene Antworten zu erarbeiten. Das ist meist besser. Menschen wollen meist selbst Lösungen finden. Sie wollen einfach nur, dass man ihnen zuhört.
Respektvolle Hilfe zur Selbsthilfe ist das Motto. Gerade für Führungskräfte ist das wichtig! Denn Ziel soll sein, Menschen weiter in ihrer Selbstverantwortung zu fördern.
Einen unterhaltsamen Cartoon zu Empathie können Sie sich in diesem Video ansehen.
5. Fazit – Empathie lernen, können Sie üben, es macht erfolgreich
- Empathische Führung hat nichts mit Verweichlichung zu tun.
- Empathie erfordert Geduld. Es geht um Selbstführung.
- Moderne, komplexe Zusammenarbeit verlangt nach mehr Verständnis und Vertrauen. Empathie ist der Schlüssel dazu. Ein Must-have!
- Empathische Kommunikation bedeutet, erst auf die Gefühlsebene einzugehen und später erst Lösungen auf der Sachebene zu suchen. Es gilt das Motto: „Störgefühle haben Vorrang!“ Meist kommen wir damit schneller ans Ziel.
- Empathie darf kein bloßes Lippenbekenntnis sein. Echte Empathie verlangt nach Konsequenzen im Handeln und in den Rahmenbedingungen.
- Führungskräfte sind nicht selten in einem Dilemma. Einerseits sollen sie das Unternehmenswohl fördern, andererseits sollen sie Mitgefühl für Mitarbeitende pflegen. Diese beiden Pole immer wieder neu auszutarieren, ist anstrengend und damit eine echte Führungsaufgabe!
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