Die Authentizität von Führungskräften gilt allgemein als Kernkompetenz. Das ist jedoch gefährlich. Lesen Sie jetzt, was wirklich erfolgsentscheidend ist.
„Mit seiner Art schafft es unser CEO, die Belegschaft hinter sich zu bringen. Er ist ein Vorbild für die Authentizität von Führungskräften.“
Authentizität gilt als eine der wichtigsten Führungstugenden. Der authentische Führungsstil rankt bei den meisten Führungsratgebern auf den Positionen 1 bis 5.
Es lohnt sich also, diesen Begriff unter die Lupe zu nehmen. Hier aber schon mal so viel, die Authentizität von Führungskräften kann den Unternehmenserfolg gefährden und zum Irrglauben werden.
Doch was versteht man unter Authentizität?
Wenn eine Führungskraft als authentisch bezeichnet wird, dann ist damit meist gemeint, dass sie glaubwürdig und transparent ist. Dass Außenstehende also wissen, welche Meinungen und Werte diese Führungskraft vertritt und welche Stärken und Schwächen sie auszeichnen. Einfach gesagt, Mitarbeitende glauben, dass eine authentische Führungskraft wirklich so ist, wie sie sich gerade zeigt.
Zur Verdeutlichung. Wenn ich an die Authentizität von Politikern denke, fällt mir als erstes Robert Habeck ein. Meines Erachtens erhält er eine der höchsten Authentizitätszuschreibungen. Denken Sie beispielsweise an seine kluge, charismatische Rede über Antisemitismus. Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Auch Boris Pistorius würde aktuell wohl ein ähnliches Scoring erhalten.
Warum ist das Prinzip Authentizität eigentlich so wichtig?
Intuitiv leuchtet sofort ein, dass ein authentischer Führungsstil die Grundlage für Vertrauen und effektive Zusammenarbeit bildet. Was wiederum für mehr Zufriedenheit und Engagement aller Beteiligten sorgt – und damit zu besseren Unternehmensergebnissen oder zu größerer politischer Einigkeit.
Authentizität in der Führung hat eine wichtige Funktion im menschlichen Miteinander.
Kein Wunder, dass es einen regelrechten Hype um sie gibt. Authentic Leadership gehört zum Skill Set zahlreicher moderner Unternehmen.
Allerdings!
1. Die Authentizität von Führungskräften kann zur Gefahr werden
Inhaltsverzeichnis
Beim Alltagsverständnis von Authentizität wird oft unterschlagen, dass Führungskräfte ständig abwägen müssen, ob sie Informationen veröffentlichen oder vertraulich behandeln sollten. Das Postulat der Authentizität und der gleichzeitigen Transparenz geht also an der Führungsrealität vorbei.
Hier drei Beispiele, wie gefährlich Authentizität und Transparenz werden können:
- Bei Restrukturierungen kann es schädlich sein, wenn die Geschäftsführung den Prozess der unternehmerischen Entscheidungsfindung allzu transparent kommuniziert. Dies kann zu zusätzlicher Unsicherheit führen und der Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden schaden.
- Auch Konflikte zwischen den persönlichen Werten einer Führungskraft und den Werten des Unternehmens gehören zum Führungsgeschäft. Denken Sie nur an die Themen Nachhaltigkeit oder Entlassungen. Legt bei dieser Herausforderung eine Führungskraft ihre persönliche Gefühlslage ganz offen, schadet sie dem Unternehmenswohl.
- Allzu offenes, kritisches Feedback einer Führungskraft kann unprofessionell und verletzend auf Mitarbeitende wirken. Wenn sich Vorgesetzte von ihrer authentischen Ungeduld und Unzufriedenheit gänzlich mitreißen lassen, ist das meist kontraproduktiv.
Expertentipp für Führungskräfte
Die Kunst der Führung ist die Balance zwischen Transparenz und gut begründeter Intransparenz.
Das Prinzip der authentischen Führung zu verabsolutieren, ist gefährlich. Einerseits ist es naiv, wenn Außenstehende übermäßige Offenheit von Führungskräften erwarten. Und anderseits kann es dazu führen, dass Führungskräfte sich selbst übermäßig unter moralischen Druck setzen.
Provokativ formuliert: „Wer allzu offen ist, ist nicht ganz dicht.“
Allgemein gesprochen, sollte Führung immer die Balance zwischen einem Wert und dessen Gegenwert suchen. Führung bedeutet immer, bei Dilemmata zu vermitteln. Allzu rigide Moralvorstellungen sind wenig hilfreich.
2. Wie authentisch sind wir wirklich?
Jetzt möchte ich Sie mit drei ganz fundamentalen Argumenten konfrontieren. Sie sind essenziell für das Führungsverständnis.
Das traditionelle Konzept von Authentizität geht davon aus, dass Menschen eine klare, gleichbleibende Identität haben und dass diese für Außenstehende erkennbar ist. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass eine kluge authentische Führungskraft schnell Follower in ihrer Organisation findet und großen Einfluss nehmen kann.
Jürgen Klopp ist wahrscheinlich ein ziemlich gutes Beispiel für diese Vorstellung von Authentizität.
Doch haben wir das Phänomen Authentizität damit ganze verstanden? Nein!
2.1. Authentizität liegt im Auge der Betrachtenden
Das Problem mit Authentizität ist, dass wir nie wissen können, wie unser Gegenüber wirklich ist.
Das Innere von Menschen ist Außenstehenden nie ganz zugänglich. Als Außenstehende können wir lediglich Hypothesen über den Charakter, die Psyche, die Gedanken und Gefühle anderer entwickeln. Das Bild, das wir uns von einem Menschen machen, wird nie ganz mit dem eigentlichen Menschen übereinstimmen. Und das ist auch gut so…
Der Unterschied zwischen dem eigentlichen Menschen und dem Bild von diesem Menschen kommt zum einen durch die persönliche Wahrnehmung und die Menschenkenntnis der Beobachtenden zustande. Aber auch Medien üben immensen Einfluss auf die Entwicklung von Bildern oder Images aus. Denken Sie nur an unsere prominenten Politiker*innen.
Wir können nie wissen, wie ein Mensch wirklich ist.
Wir machen uns lediglich Bilder über Menschen.
Wenn jemand von Frau Peters sagt „Sie ist eine engagierte, einfühlsame Führungskraft“, dann ist das lediglich die Einschätzung einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt. Und diese Charakterisierung muss nicht in jeder Situation vollständig zutreffen.
Expertentipp für Führungskräfte
Eine Persönlichkeit als absolut authentisch oder unauthentisch einzustufen, kann gefährlich sein. Wir sollten nicht der Illusion erliegen, Menschen wirklich einschätzen zu können.
Gerade in Konflikten tendieren wir dazu, ein festes Bild unseres Gegenübers zu zeichnen. „Er ist eben eigensinnig.“ Solche 100-Prozent Festlegungen können Konfliktlösungen verunmöglichen.
Ebenso sollten wir uns davor hüten, zu glauben, was man über uns selbst sagt. Natürlich beflügelt uns ein guter Ruf und ein schlechter Ruf schmerzt. Aber beides sind bloße Teilwahrheiten, mit denen wir uns auseinandersetzen, aber nicht ganz identifizieren sollten.
2.2. Erwartungserwartungen beeinflussen unser Verhalten
Sicherlich haben Sie auch schon erlebt, dass eine Führungskraft durch eine andere ersetzt wird, weil alles anders werden sollte. Allerdings hat sich mit der neuen Führungskraft dann doch wenig verändert. Entgegen aller Hoffnungen.
Dies ist kein seltenes Phänomen.
Das heißt, die Charaktereigenschaften von Führungskräften scheinen sich nicht unbedingt auszuwirken. Eine Führungsmethode wie Authentic Leadership würde also wenig Sinn machen. Sie wäre eine falsche Hoffnung oder ein Irrglaube.
Es muss also noch weitere Wirkmechanismen geben als den Einfluss durch die Persönlichkeit der Führungskraft.
Was könnte das sein?
Wieder mal hält Niklas Luhmann klugen Rat bereit.
Der Organisationssoziologe weist darauf hin, dass Menschen nur bedingt stabile, autonome, authentische Persönlichkeiten sind. Mit seinem Konzept der Erwartungserwartungen erklärt er, wie anpassungswillig Menschen sind.
Hierzu habe ich einen kleinen Witz erfunden:
Paul hat sich ein neues Parfüm gekauft und will damit seine Frau Johanna überraschen. Er nimmt an, dass sein altes Parfüm seine Anziehungskraft verloren hat. Johanna mag den neuen Geruch jedoch nicht wirklich, sagt Paul aber: „Schatz, du riechst verführerisch.“ Denn sie befürchtet, dass Paul auf Kritik empfindlich reagiert.
Die ungeklärten Erwartungserwartungen bei diesem Ehepaar führen dazu, dass Paul ab jetzt ein weniger attraktives Parfüm trägt als vorher…
Allgemein gesprochen können Erwartungserwartungen, also Meinungen über die Meinungen anderer, gefährlich sein. Diese Form der Anpassung kann absurd und kontraproduktiv wirken.
Erwartungserwartungen führen aber nicht immer in die Sackgasse.
Im Gegenteil, Erwartungserwartungen haben eine positive Funktion. Sie machen Kooperation einfacher.
Wenn ich beispielsweise als Führungskraft erwarten kann, dass die Mitglieder meines Projektteams selbständig zusammenarbeiten, dann kann ich mit langer Leine führen. Erwarten die Teammitglieder parallel dazu, dass ich nicht als Mikromanager dazwischenfunke, dann werden sie vertrauensvoll, mutig und motiviert loslegen (solange sie nicht zu den wenigen unmotivierten Menschen gehören).
In diesem Beispiel haben alle Beteiligten im Lauf der Zeit kongruente Erwartungen aneinander entwickelt. Diese Erwartungserwartungen steigern die Effektivität und reduzieren Unsicherheiten. Bis es vielleicht zu einer Irritation kommt und sich neue Erwartungserwartungen bilden.
Das Prinzip der Erwartungserwartungen zeigt, dass die Idee einer authentischen, gleichbleibenden Führungspersönlichkeit nur bedingt zu trifft.
Erwartungserwartungen sind Annahmen, die Menschen darüber entwickeln, was andere von ihnen erwarten. Und diesen Erwartungen passen sie sich an.
Erwartungserwartungen helfen uns, unser Verhalten anzugleichen. Sie erleichtern die Interaktion, reduzieren Unsicherheit und minimieren Konflikte – solange sie auf den richtigen Annahmen basieren. Andernfalls wirken sie kontraproduktiv.
Das Spiel der Erwartungserwartungen beeinflusst die Authentizität von Führungskräften. Erwartungserwartungen relativieren die Alltagsvorstellung einer festumrissenen Persönlichkeit.
Expertentipp für Führungskräfte
Führungskräfte sollten ihren Blick für Erwartungserwartungen schärfen. Dies gehört zum A und O von Führung.
Feedbackschleifen helfen herauszufinden, was Mitarbeitende von ihrer Führungskraft erwarten und was die Führungskraft wiederum von den Mitarbeitenden erwartet. Zu verstehen, warum Erwartungen in eine falsche Richtung laufen, ist erfolgsentscheidend. Dieses Verständnis erweitert die Handlungsoptionen einer Führungskraft.
Engmaschige Feedbackschleifen sind speziell ergiebig bei Problemen wie: Selbstverantwortung, Verlässlichkeit, Fehlerkultur, Teamspirit, Überlastung, Lernen, Finanzen…
Es zahlt sich aus, Erwartungserwartungen zwischen Kollegen, Mitarbeitenden und Chefs immer wieder zu durchleuchten.
Diese Empfehlung gilt natürlich auch im Privaten zwischen Partnern, Kinder, Freunden und Nachbarn.
2.3. Rollen bestimmen unser Verhalten
Hier noch ein dritter Grund, das Konzept von Authentizität zu relativieren.
Wahrscheinlich haben Sie auch schon die Erfahrung gemacht, dass jemandem Eigenschaften zugeschrieben werden, die Sie nicht vermutet hätten. Beispielsweise kommt es nicht selten vor, dass über eine Führungskraft in Unternehmen A ein anderes Bild gezeichnet wird als in Unternehmen B.
Mit anderen Worten, der Kontext beeinflusst, welche Eigenschaft bei jemanden zutage treten.
Beispielsweise verändere ich automatisch meine Rolle, je nachdem, ob ich als Vater, als Berufstätiger, als Vereinsmitglied oder Nachbar aktiv werde. Und all diese Menschen beschreiben etwas divergierende Charaktereigenschaften von mir.
Wir sollten Menschen zugestehen, dass sie Kontextpersönlichkeiten sind. Menschen haben viele Facetten, sie spielen verschiedene Rollen und haben keine gleichbleibende Identität.
Ein erschreckendes und gleichsam faszinierendes Beispiel für Kontextpersönlichkeiten liefert der Film „The Zone of Interest“. Der Streifen von 2024 handelt vom damaligen Lagerleiter Rudolf Höß in Auschwitz. Einerseits wird darin der warmherzig linkische Familienvater gezeigt und andererseits der kaltblütige Massenmörder. Trailer
Die Welt ist eine Bühne, wir alle sind bloße Spieler… sein Leben spielt einer manche Rollen.
Ganz nach Shakespeare empfiehlt es sich also, das Business – ja das Leben überhaupt – als Bühne zu sehen.
Doch halt. Einspruch.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, ob Menschen nicht doch gewisse konstante Charaktermerkmale in alle Lebensbereiche einbringen. Und in der Konsequenz Einfluss auf ihre Personenbeschreibung nehmen.
Ja, auch das trifft zu.
Es gilt die Dialektik, dass der Mensch seine Rolle beeinflusst und die Rolle wiederum auf den Menschen einwirkt. Wichtig ist jedoch mitzudenken, dass Mensch und Rolle nicht vollständig identisch sind. Selbst wenn jemand ein konsistentes Image pflegt.
Expertentipp für Führungskräfte
Für Führungskräfte ist die Unterscheidung zwischen Mensch und Rolle spielentscheidend.
Beispielsweise greift es zu kurz, wenn wir einen Konflikt – wie so häufig – auf die problematische Persönlichkeit einer Kontrahent*in zurückführen! Wollen wir einen Konflikt lösen, ist es erfolgsentscheidend, den Kontext zu verstehen.
Wir sollten beispielsweise verstehen, welche strukturellen Gründe zu Silodenken führen und was die Durchsetzung von Partikularinteressen antreibt. Gleiches gilt für Themen wie Demotivation oder fehlende Selbstverantwortung.
Wenn Führungskräfte den Kontext nicht verstehen, tappen sie allzu leicht in eine Personifizierungsfalle. Das heißt, sie führen Probleme auf den vermeintlich authentischen Charakterkern einer Person zurück. Damit unterliegen sie einer unzureichenden Ursach-Wirkung-Hypothese.
Konkret heißt das, Führungskräfte sollten sich immer diese zwei Fragen stellen:
Was wäre, wenn das Problem nicht an dem Mitarbeitenden liegt?
Was könnte ich als Führungskraft am Kontext, der Struktur, den Prozessen und der Kommunikation verbessern?
Mit diesen Fragen folgen Sie dem Postulat, sowohl am System und nicht bloß im System zu arbeiten.
3. Wie frei sind wir wirklich?
Wenn wir der bisherigen Argumentation folgen, kommen wir zu folgender Erkenntnis:
Menschen sind soziale Konstrukte.
Menschen sind in erheblichem Maße erwartungskonform: sie werden beeinflusst von Erwartungserwartungen, ihren Rollen und dem Kontext.
Die Alltagsvorstellung von Authentizität – dass Menschen eine gleichbleibende Identität haben – ist nur bedingt richtig.
Wenn Menschen Produkte der sozialen Interaktion sind, bedeutet dies wiederum, dass sie in ihrer Freiheit eingeschränkt sind.
Deshalb können unser Ruf und die Erwartungen an uns zu einem Gefängnis werden und sich hartnäckiger halten, als uns lieb ist.
Hier das Beispiel einer Führungskraft.
Frau Lorenz ist erfolgreiche Geschäftsführerin eines dynamischen Unternehmens der IT-Branche. In der Vergangenheit gelang es ihr, einige riskante Change Projekte zum Erfolg zu bringen. Damit hat sie sich den Ruf einer mutigen Entscheiderin geschaffen. Im Unternehmen gilt sie als visionäre, innovative Führungspersönlichkeit.
Angenommen, das Unternehmen steht nun aber vor einer andersartigen, ganz neuen Herausforderung, bei der radikale Entscheidungen zu riskant wären. In diesem Fall wäre es wohl am klügsten, wenn die Geschäftsführerin eine „konservative Strategie wählen und auf Sicht fahren“ würde.
Frau Lorenz spürt nun allerdings bei dieser neuen Herausforderung den Erwartungsdruck einiger Stakeholder, erneut mutige, große Entscheidungen zu treffen. Ja, sie fühlt sich sogar von einigen Kontrahenten regelrecht „gechallenged“ ihre alte Rolle beizubehalten.
Gefährlich könnte es nun werden, wenn Frau Lorenz in die Falle der Erwartungserwartungen tappt und versuchen würde, ihrem ehemaligen Ruf gerecht zu werden. Der Ruf einer visionären, mutigen Führungspersönlichkeit ist ja auch ein attraktives, wertvolles Gut. Dies könnte sie dazu verleiten, eine zu riskante Strategie zu wählen und damit das Unternehmenswohl zu gefährden.
Der Versuch, dem eignen Ruf und Image gerecht zu werden, kann Führungskräfte zu unausgewogenen Entscheidungen verleiten.
Das sogenannte authentische Rollenbild kann zur Falle werden.
Es braucht Mut, zu einem Verhalten zu stehen, das erstmal als unauthentisch wahrgenommen wird.
4. Rhetorik und authentischer Führungsstil
Mit Sicherheit haben Sie schon erlebt, wie schnell es gehen kann und der Ruf eines Menschen ist geschädigt. Denken wir nur daran, wie riskant es ist, sich zur Corona Politik oder dem Krieg in der Ukraine ausgewogen, aber kritisch zu äußern. Ein vermeintlich falsches Wort kann ein sorgsam entwickeltes Image schlagartig zerstören.
Auch Führungskräfte wandeln häufig auf dünnem Eis, wenn sie gegen den eigenen Ruf verstoßen und mit nicht-erwartungskonformen Meinungen irritieren. Was aber betontermaßen eine wichtige Führungsaufgabe ist.
In unserem Beispiel von oben, könnte es für Frau Lorenz gefährlich werden, in offenherzig authentischer Weise für eine „konservative“ Strategie zu plädieren. Im Nu könnte sie abgesägt werden, falls es einer Mehrheit gelingt, Stimmung zu machen für die alte, radikale Vorgehensweise. Mit anderen Worten, Frau Lorenz befindet sich in einem Führungsdilemma.
Es kann für Führungskräfte gefährlich sein, gegen den eigenen Ruf zu verstoßen und Erwartungen zu irritieren.
Nur mit wohlüberlegter Rhetorik lässt sich ein bisher konsistentes, positives Image langsam verändern.
Offenherzige, unbedachte Meinungsäußerungen können gefährlich sein.
Provokativ formuliert gilt auch hier: „Wer ganz offen ist, ist nicht ganz dicht.“
4.1. Es geht nicht darum, authentisch zu sein, sondern authentisch zu wirken!
Wollen Führungskräfte einen wirklich guten Job machen, gilt es, sich behutsam aus dem Gefängnis kontraproduktiver Erwartungen und Authentizitätsvorstellungen zu befreien.
Will beispielsweise eine Führungskraft bei Restrukturierungen ihre Chance auf Erfolg verbessern, dann sollte sie das Bild von Authentizität vermitteln. Damit kann es gelingen, das Vertrauen in sie zu stärken, Unsicherheit zu reduzieren und die Produktion am Laufen zu halten. Mit einer als authentisch empfundenen Wirkung kann es der Führungskraft gelingen, dass die Belegschaft ihr eine Stimmigkeit von Überzeugung und Handeln unterstellt und damit den Restrukturierungen bereitwilliger folgt.
Das Führungsdilemma besteht darin:
- Einerseits ein Bild von Authentizität zu vermitteln und sich erwartungskonform darzustellen.
- Anderseits unerwartete Charakterseiten zu zeigen, wenn neue unternehmerische Notwendigkeiten dies erfordern.
Zugespitzt formuliert, Führung verlangt nach einer Prise Schauspielerei und Subversion.
Ich möchte dieses Phänomen lieber sachlich bezeichnen mit Spielfähigkeit.
Spielfähigkeit – ein Bild von Authentizität schaffen, ohne ganz authentisch zu sein.
Für das Unternehmenswohl ist es erfolgsentscheidend, dass Führungskräfte die positive Funktion von Authentizität nutzen – dass sie also den Eindruck von Glaubwürdigkeit und Transparenz vermitteln.
Allerdings können es sich Führungskräfte oft nicht leisten, ganz authentisch zu sein. Oft können sie ihre Gefühle und Gedanken nicht vollständig transparent auf den Tisch legen.
Deshalb sollten Führungskräfte sich in Spielfähigkeit üben. Sie sollten ein rhetorisches Gespür entwickeln, welche Wirkung sie mit ihrer Persönlichkeit, ihrer Kommunikation und ihrem Verhalten erzeugen.
Nur mit Spielfähigkeit und intelligenter Rhetorik lassen sich Dilemmata sozialer Systeme anpacken.
4.2. Lüge, Manipulation und Trickserei
Wahrscheinlich fragen Sie sich beim Lesen, ob wir damit nicht Wasser auf die Mühle der Manipulation kippen und Trickserei als Führungsmethode rechtfertigen. Dass wir also gegen Moral und politische Korrektheit verstoßen würden.
Das wäre nicht meine Intention.
Meine Absicht ist vielmehr, Verständnis dafür zu schaffen, wie soziale Systeme per se funktionieren. Und nicht, mit vorauseilend moralischen Bewertungen, den Blick auf die Realität zu trüben.
Es ist aber richtig, die hier vorgetragenen Argumente können missbraucht werden.
Doch darauf gibt es drei wichtige Entgegnungen:
- Menschen sind nicht blöd. Die Belegschaft durchschaut meist nach kurzer Zeit, wenn sie wirklich manipuliert und belogen wurde. Dies schlägt dann schnell auf die Führungskraft und das Unternehmenswohl zurück.
- Kernaufgabe von Führungskräften ist es, bei moralischen und wirtschaftlichen Dilemmata zu vermitteln. Schmerzfreie Lösungen sind eine Seltenheit. Ein aufrechter Geist und kluge Rhetorik sind dabei unerlässlich.
- Führungskräfte sollten ihren persönlichen Wertkompass kennen und sich konsequent daran halten. Alles andere ist bereits mittelfristig ungesund.
5. Authentizität von Führungskräften – ein Fazit
Authentizität ist für Führungskräfte ein notwendiger, aber riskanter Ritt auf Messers Schneide.
Um die Irrtümer von Authentizität zu vermeiden, sind folgende Argumente erfolgsentscheidend:
Wenn wir Menschen als authentisch einschätzen, dann sind sie für uns glaubwürdig und vertrauenswürdig. Dies erleichtert die Zusammenarbeit auch reduziert Unsicherheit – beruflich und privat. Die Authentizität von Führungskräften hat also eine wichtige Funktion.
Allerdings ist Authentizität ein Eindruck, der in den Augen der Betrachtenden entsteht.
Von einem Menschen als echtem, authentischem Charakter zu sprechen, ist problematisch. Unterschiedliche Kontexte, verschiedene Rollen und Erwartungserwartungen beeinflussen Menschen. Menschen haben nur eine bedingt gleichbleibende Identität.
Führungskräfte stecken in einem Dilemma. Einerseits sollten sie mit authentischer Wirkung Vertrauen schaffen, andererseits können sie nicht all ihre Gefühlslagen offenlegen.
Führung verlangt nach etwas schauspielerischer Fähigkeit. Anders ausgedrückt, Führungskräfte sollten seriöse Spielfähigkeit und rhetorisches Geschick trainieren.
Es geht nicht darum, vollständig authentisch zu sein, sondern authentisch zu wirken. Im Rahmen der eigenen Moralvorstellungen, wohlgemerkt!
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