„Chefs brauchen ein dickes Fell.“ Irrtum!
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„Als Führungskraft musst du hart im Nehmen sein!“
Das ist eine verbreitete Meinung. Verständlicherweise. Unternehmen sind ja keine Streichelzoos. Und deshalb sagen wir auch oft zu uns selbst „Sei doch nicht schon wieder so empfindlich. Leg dir ein dickes Fell zu.“
Doch ist der Tipp mit dem dicken Fell klug?
Meine Gegenhypothese lautet:
Sensible Führungskräfte führen besser, denn sie haben eine bessere Wahrnehmung für Menschen und Themen. Allerdings müssen sie lernen, mit ihrer Empfindsamkeit umzugehen.
Mit anderen Worten, dünnhäutige Chefs müssen sich um gute Selbstführung kümmern. Damit sie nicht sie vom Strudel ihrer ganzen Emotionen davongetragen werden.
Wie kann das funktionieren?
Wie können wir unsere Selbstführung verbessern? Beispielsweise bei schwelenden Konflikten, bei Konkurrenzkämpfen im Führungskollegium, bei nicht erfolgter Beförderung oder fehlende Anerkennung.
1. Unterscheiden Sie zwischen emotionaler Erstreaktion und Zweitreaktion
Dies ist ein erstaunlich einfacher und hilfreicher Tipp. Nehmen wir als Beispiel eine Bereichsleiterin, die getriggert ist von einem Kollegen, der sich in Sitzungen mit Vorständen stets in den Vordergrund drängt.
Zur besseren Selbstführung empfehle ich folgende Methodik:
Ein Selbstgespräch in 3 Schritten. Sagen Sie sich:
a) Deine Erstreaktion, dein erster Gefühlsimpuls ist OK, aber du fällst nicht drauf rein
Rufe dir selbst STOPP zu, wenn du spürst, dass dich etwas verletzt oder triggert: „Stopp, jetzt wirst du nicht ungeduldig oder sauer. Stopp, jetzt machst du keinen Rückzug oder hitzigen Angriff.“
b) Ertrage die Situation
3 mal gut ausatmen und bei leerer Lunge jeweils 10 Sekunden die Atempause halten. Frage dich dabei: „Ist mir vielleicht selbst schon Ähnliches passiert?“
c) Fokussiere dich auf eine kluge Zweitreaktion
Stelle dir vor, was dir eine kluge Freundin in dieser Situation raten würde. Diese kluge Freundin könnte unserer Bereichsleiterin beispielsweise raten, die Moderatorenrolle informell zu ergreifen und dem dominanten Kollegen elegant ins Wort zu fallen mit: „Ja, genau diese zwei Aspekte möchte ich unterstützen und zusätzlich noch auf den Vorschlag von Kollegin Anja hinweisen.“ (oder einen eigenen Vorschlag)
Haben Sie auch gelegentlich den Eindruck, dass Sie auf Herausforderungen geschickter reagieren könnten? Mit Selbstführung wird Ihnen dies gelingen.
Lesen Sie hier, was Sie als moderne Führungskraft über Selbstführung wissen sollten.
2. Dickes Fell – Erfahrungen aus dem Self-Leadership Coaching
Wenn Sie mich fragen, was eines der wichtigsten Themen bei Self-Leadership Coaching ist, dann sage ich: Verletzlichkeit. Beispielsweise die Verletzlichkeit, die sich hinter einem stolzen, arroganten Verhaltensmuster verbirgt. Erstaunlich, nicht?
Unterscheiden sich darin Frauen von Männern, Vorständinnen von Abteilungsleiter hinsichtlich Verletzlichkeit? Nein. Unterschiede erkenne ich lediglich im Umgang mit Verletzlichkeiten.
Das Thema Dünnhäutigkeit kommt erstaunlich häufig in meinen Coachings vor. Sobald genug Vertrauen besteht.
Zu erleben, was für eine Entlastung es für meine Kunden ist, sich ihre Empfindsamkeit einzugestehen, das berührt mich immer wieder.
Ich selbst empfinde diese Selbstoffenbarung meiner Kunden immer als großes Geschenk. Ein Geschenk des Vertrauens und der Nähe. Und ein Zeichen persönlicher Entwicklung.
3. Fazit – reife Menschen brauchen kein dickes Fell
Reifheit bedeutet, dass wir nicht auf jeden unangenehmen Reiz anspringen. Es geht um Gelassenheit und eine Reiz-Reaktions-Unterbrechung. Machen Sie sich bewusst: Das ist eines der großen, existenziellen Themen.
In der Unterbrechung von Reiz und automatisiertem Reaktionsmuster liegt unsere innere Freiheit. Unsere Freiheit, nicht auf jeden Trigger, den uns das Schicksal anbietet, hineinzufallen, sondern unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Die Reiz-Reaktions-Unterbrechung ist ein Klassiker der Selbstführung. Egal ob, Sie Führungskraft, Lebenspartner oder einfach nur Nachbarin sind.
Dünnhäutige Führungskräfte können zu echten Problemlösern werden, wenn sie lernen, ihren Erstreaktion nicht aufzusitzen. Damit gehört ihnen die Zukunft. Dickhäuter hingegen werden es wegen ihrer eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit in dynamisch-komplexen Zeit viel schwerer haben.
Legen wir also das dicke Fell ab und fördern wir unsere Sensibilität. Verbessern wir unsere Selbstführung – ich sehe Potenzial in jedem!